Um Bienen, Wespen und Schmetterlinge wird es immer ruhiger. Denn sie und ihre Artgenossen finden kaum noch Platz zum Leben. Mehr und mehr Insekten sterben aus. Doch ohne Bienen und Co. werden bei uns die Lebensmittel knapp.
Von Viola Rüdele und Sarah Schönemann
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Bei Nutztieren denken die meisten Menschen sofort an Kühe, Schafe und Schweine – kaum jemand kommen Bienen, Schmetterlinge oder Ameisen in den Sinn. Diese Tiere gelten vielmehr als lästig beim Eis essen oder gar als Schädlinge im Garten. Dabei haben wir es Insekten zu verdanken, dass wir jeden Tag Obst, Gemüse, Getreideprodukte und vieles mehr auf dem Teller haben
Doch Bienen und ihre Artgenossen sind bedroht. Heute gibt es 75 Prozent weniger Insekten als 1989 [1], 40 Prozent aller Arten sind vom Aussterben bedroht, insbesondere Schmetterlinge, Mistkäfer und Hautflügler – wie Bienen und Ameisen [2].
Warum sind Bienen und andere Insekten so wichtig?
Bienen sind für die Bestäubung von Pflanzen wichtig, soweit, so klar. Doch der daraus entstehende Nutzen wird unterschätzt. Ungefähr jeder dritte Bissen, den wir essen, ist von der Biene abhängig. Der ökonomische Nutzen der Honigbiene wird weltweit auf circa 265 Milliarden Euro geschätzt. Dabei sind die Leistungen der Wildbienen noch nicht berücksichtigt [3]. Ungefähr 60 Prozent aller Lebensmittel würden aus den Supermärkten verschwinden, gäbe es keine Bienen [4].
Insekten können noch mehr: Viele Insekten, unter anderem Wespen und Marienkäfer ernähren sich von Schädlingen und können durch ihr Fressverhalten Pflanzen vor Schädlingsbefall schützen oder diesen beseitigen. Marienkäfer beispielsweise ernähren sich von Blattläusen. Ist eine Pflanze von diesen befallen, können Marienkäfer Abhilfe schaffen.
Außerdem leisten die Bienen einen wichtigen Beitrag für die Artenvielfalt der Pflanzenwelt:
Viele Pflanzen vermehren sich durch Kreuzbestäubung. Das heißt, sie können sich nicht selbst vermehren, sondern sind darauf angewiesen, dass beispielsweise Bienen die Bestäubung übernehmen. Viele Pflanzen unseres Ökosystems würden sich nicht weiter vermehren können und aussterben, gäbe es keine Bienen. Durch eine große Vielfalt an Pflanzen, wird deren eigene Robustheit gegen Krankheiten zusätzlich gestärkt.
Unsere kleinen Krabbeltiere dienen auf der anderen Seite aber auch als Nahrung für viele andere Tierarten. Die bekanntesten Vertreter der insektenfressenden Tiere sind wohl Vögel, aber auch kleine Säugetiere ernähren sich von Bienen und Co. Sterben die Insekten, geht also auch diesen Tieren das Futter aus und weitere Tierarten sterben.
Warum sterben gerade so viele Insekten?
Heute finden Insekten kaum noch Platz zum Leben. Mehr als die Hälfte der Freiflächen in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Es fehlen geschützte Grünflächen wie Wiesen, Hecken, Sträucher oder Grünstreifen zwischen den Ackerflächen. Auch, weil viele Landwirt*innen in Deutschland nur noch Monokulturen (vor allem Mais und Weizen) anbauen.
Doch Insekten brauchen Flächen mit einer hohen Pflanzenvielfalt und Wildkräutern. Sonst finden sie keine Nahrung, keinen Unterschlupf und keine Nistplätze. Auch die in der Landwirtschaft eingesetzten Ackergifte, zur Steigerung der Erträge, machen den Tieren das Leben sehr schwer .
Viele Unkrautvernichter wie Glyphosat [5] töten nicht nur Unkräuter, sondern (fast) alle Pflanzen – auch die, von denen sich Bienen und andere Insekten ernähren. Die häufig verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel (die sogenannten Neonikotinoide) schaden auch den Insekten: Bienen etwa verlieren dadurch ihren Orientierungssinn und finden nicht zurück zu ihrem Bienenstock.
Neben dieser Situation in der Landwirtschaft verschlechtert vor allem die zunehmende Flächenversiegelung von Grünflächen für Autobahnen, Parkplätze, Neubausiedlungen oder Stein-Gärten die Lebenssituation der Insekten [6].
Auch die zunehmende Lichtverschmutzung setzt so wie den Menschen auch den Tierchen zu: Wenn nachts ganze Städte hellerleuchtet sind, verlieren nachtaktive Insekten die Orientierung und fallen im Schein einer hellen Straßenlaterne leicht ihren Fressfeinden (wie Fledermäuse) zum Opfer.
Dank der Imker*innen, die sich um sie kümmern, geht es den Bienen noch recht gut geht – die Wildbiene hingegen ist besonders gefährdet.
Darum ist es so wichtig, sich für Artenschutz und gegen das Insektensterben zu engagieren. Die Bürger*innen in Bayern haben gezeigt, wie es geht.
Schritt in die richtige Richtung: Bienenvolksbegehren
In Bayern wurde ein Volksbegehren „Rettet die Artenvielfalt“ ins Leben gerufen. Am Ende stimmten fast zwei Millionen Bayer*innen (etwa doppelt so viele wie erforderlich) für das sogenannte Bienenbegehren – damit war es das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns. Das überzeugte schließlich auch die Landesregierung in München: Sie machte aus dem Volksbegehren am 17. Juli 2019 ein Gesetz und beschloss zahlreiche Maßnahmen für den Schutz der Bienen [7].
Mehr Politik für Insekten
Renommierte Wissenschaftler*innen aus ganz Europa haben bereits 2018 einen Aktionsplan [8] gegen das Insektensterben erarbeitet. Die Forscher*innen fordern etwa, weniger Pestizide zu nutzen und den Insekten wieder mehr Grünflächen zur Verfügung zu stellen.
Dafür müsste sich auch die Landwirtschaft umstellen bzw. anders finanziert werden. Belohnt werden sollte zukünftig ökologisches und insektenfreundliches Bewirtschaften, entsprechend sollten Gelder dann nicht (wie bisher die EU-Agrarsubventionen [9]) pauschal pro Quadratmeter verteilt werden.
Ansätze für Städte sind schnell gefunden: mehr Grünflächen mit heimischen nektarreichen Pflanzen, von denen sich die Insekten ernähren ,Grünstreifen an den Straßenrändern von oder verringerte Leuchtkraft der Strassenlaternen.
Auch Du kannst Insektenretter*in werden
Schon jetzt kann jede*r Einzelne etwas für den Artenschutz tun, denn politisch gibt es noch einiges zu tun. Jede kleine Maßnahme unterstützt die kleinen Tierchen.
Beim Mähen kann man einfach Teil der Wiese stehen lassen, sodass genug Nahrung für Insekten zur Verfügung steht. Hübsch anzusehen sind blühende Blümchen auf einer Wiese noch dazu.
Selbstgebaute oder gekaufte Insektenhotels können gerade in bebauten Gegenden die nötige Nisthilfe für Insekten sein [10].
Auch beim Kauf von Lebensmitteln und Kleidung auf Bio-Qualität zu achten, schützt die Tiere, denn die Pestizide auf konventionellen Plantagen oder Felder sind schädlich, gar tödlich für sie.
Bei der Bepflanzung von Garten und Balkon findet man schnell, dank vieler Beiträge im Internet [11], Pflanzen, die für Bienen geeignet sind. Im besten Fall darauf achten, die Pflanzen so auszuwählen, dass immer etwas blüht.
Was für den Mensch zur Erfrischung im Sommer dient, lieben auch Insekten: einen Pool. Eine tolle Idee und einfach umzusetzen: Eine flache Schale mit Wasser reicht . Bitte unbedingt darauf achten, mit Steinen oder Stöckchen Halt zu bieten, sodass die Tiere nicht ertrinken. Sie bieten Flüssigkeit und Abkühlung in der heißen Jahreszeit.
Wer keinen eigenen Garten oder Grünfläche besitzt, kann auch eine Blühpatenschaft übernehmen. Die Idee dahinter ist einfach: Damit Landwirt*innen eine Fläche nicht landwirtschaftlich nutzt, sondern der Natur überlassen, bekommen sie von den Blühpat*innen eine Ausgleichszahlung – und manchmal gibt es als Dankeschön sogar ein Glas Honig oder einen Blumenstrauß [12].
Also: Retten wir gemeinsam die Insekten und erhalten so auch unsere Lebensqualität!
Gemeinsam mit der Klimaliste für Artenvielfalt und Insektenschutz.
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Zum Nachlesen:
[1] www.maz-online.de/Lokales/Dahme-Spreewald/Weniger-Insekten-in-Landwirtschaftsgebieten und journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809
[2] www.oekomarkt-hamburg.de/neue-studie-zeigt-40-prozent-der-insekten-weltweit-vom-aussterben-bedroht/ und www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320718313636
[3] www.bee-careful.com/ch/fruchtvielfalt/der-Nutzen-der-bienen-fuer-den-menschen/
[4] www.20min.ch/story/so-leer-waere-der-supermarkt-ohne-bienen-298009112859
[5] Die EU-Kommission hat dennoch erst 2017 beschlossen, Glyphosat für weitere 5 Jahre zuzulassen – dann soll Schluss sein. Zudem lässt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner munter weitere Pestizide zu, statt deren Einsatz zu reduzieren: https://www.nabu-bochum.de/2019/03/27/ministerin-kloeckner-missachtet-eigenes-versprechen-zum-insektenschutz/
[6] Europaweit werden pro Tag 320 Hektar natürlicher oder landwirtschaftlich genutzter Flächen zubetoniert. www.umweltinstitut.org/themen/landwirtschaft/artensterben/bienen/gruende-fuer-das-bienensterben.html und www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten/flaecheninanspruchnahme-fuer-siedlungen-verkehr#siedlungs-und-verkehrsflachen-in-deutschland
[7] www.bund-naturschutz.de/aktionen/volksbegehren-artenvielfalt
[8] www.uni-hohenheim.de/uploads/media/9-Punkte_Plan_gegen_das_Insektensterben.pdf
[9] Dieses Verfahren hat das EU-Parlament im Oktober 2020 mit marginalen Änderungen nochmals bis 2027 verlängert – trotz heftigem Protest der Klimabewegung.
[10] Eine einfache Anleitungen zum Selberbauen gibt es unter www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/mission-gruen/17063.html zu finden.
[11] Zum Beispiel unter www.gartenlexikon.de/bienenfreundliche-pflanzen/
[12] Zum Beispiel unter www.mellifera.de/bluehpate
Für alle, die es ganz genau wissen wollen: Insektenatlas (www.boell.de/de/insektenatlas) und Vorschläge für Kommunen und jede*n Einzelne*n: der Ratgeber des BUND (www.bund.net/themen/tiere-pflanzen/tiere/insekten/bedrohung/).