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Windrad oder Wald – Ist das die neue Gretchen-Frage?

Frankfurt, Februar 2022: Kaum hat das RP Kassel dem Bau von 18 Windkraftanlagen im Reinhardswald zugestimmt, hagelt es Kritik. Zu Recht – Die KLIMALISTE Hessen e.V. fordert in diesem Zusammenhang mehr Aufklärung und mehr Transparenz.

Wie man die Situation im Reinhardswald auf den ersten Blick auch sieht, der Ausbau der Windkraft ist ein wichtiger Baustein für eine klimaneutrale Energieversorgung Deutschlands. Daher begrüßt die KLIMALISTE Hessen e.V. generell den Ausbau der Windenergie in Hessen. Allerdings sind in diesem Zusammenhang Agrar- und Freiflächen zu bevorzugen, die wirtschaftlicher sind.

Bei der Energiewende – wie sie im Koalitionsvertrag beschrieben ist – sind alle Bundesländer gefragt, geeignete Flächen für Windkraft auszuweisen. Etwa zwei Prozent der Landesfläche sieht der Koalitionsvertrag vor, Energie- und Umweltwissenschaftler*innen (z.B. SRU) halten diese Zahl für realistisch. Damit Hessen, eines der waldreichsten Bundesländer, dazu seinen Beitrag leistet, sind auch Flächen im Wald von den Planungen betroffen.

Noch ist kein Baum im „Märchenwald“ gerodet und dennoch klingen schon aus den unterschiedlichsten Ecken Bedenken den Wald zu opfern. Für den geplanten Windpark ist eine Fläche von etwa 28.93 Hektar notwendig. Davon ist geplant, 15.67 Hektar wieder aufzuforsten, sodass effektiv 13.26 Hektar Wald verloren gehen. (0,74 Hektar pro Windrad). Rodungen in Schutzgebieten sind aktuell nicht erlaubt.

Zum Vergleich: Für die A49 – einem Projekt, das von der KLIMALISTE Hessen e.V. scharf kritisiert wird – wurden über 100 Hektar gesunder Misch-Wald gerodet, zum Teil waren die Bäume über 250 Jahre alt. Zudem litt der hessische Wald in den vergangenen Jahren massiv unter Hitze und Trockenheit/Dürre in Hessen. Was auf den ersten Blick vertretbar klingt, ruft auf den zweiten Blick auch zahlreiche Gegenargumente auf den Plan. Das bisher unzerschnittene Waldstück im Reinhardswald – ein Wasserschutzgebiet – wird damit aufgelöst und in einem nicht unerheblichen Rahmen teilversiegelt. Die in diesem bislang intakten Naturgebiet anzutreffende Artenvielfalt wird durch diesen Eingriff massiv beeinträchtigt.

Fadenscheinig erscheint in diesem Zusammenhang die polemische Instrumentalisierung des Waldes und die Argumente der Verschandelung der Umwelt der konservativen Fraktionen. In deren Argumentationen geht es nicht um echten Waldschutz, sondern um Blockade des notwendigen Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Die Wahl des Standorts Reinhardswald hat auch einen Beigeschmack, denn es rücken Investoreninteressen in den Vordergrund. Der betroffene Wald gehört dem Land Hessen, welches entsprechend die Einnahmen behält. Die Anrainer-Kommunen sind an dieser Stelle außen vor und nicht an der Entscheidung beteiligt. Bei einem zweiten Projekt auf dem Taunuskamm (einer Fläche, die einen deutlich weniger starken Eingriff in Waldflächen bedeutet hätte) wurde dem Windpark eine Absage erteilt, nachdem die wohlhabenden „Taunusbürger“ dem Projekt den Kampf angesagt hatten. Ihr Argument die „Verschandlung der Umwelt“. Ein derart aggressives Vorgehen ist im Reinhardswald – einem deutlich stärkeren Eingriff in Waldflächen – in Nordhessen nicht möglich.

Fakt ist aber auch: Jedes Windrad, das gebaut wird, schützt die Umwelt mehr als die, die nicht gebaut werden. Bleibt dabei also die Frage „Was ist besser: Windrad oder Wald“?

Bei all der Diskussion bleibt die Ursache dieser Gretchenfrage aber immer undiskutiert. Deutschland hat einen seit Jahren steigenden Energiebedarf. Digitalisierung, Automatisierung und Wohlstand treiben unseren Hunger nach Energie ins Unermessliche. Zeitgleich ist das zur Verfügung stehende CO2

Budget – vor allem auch durch die fossile Energieerzeugung – nahezu aufgebraucht. Wenn die Bereitschaft ein Waldstück dafür zu „opfern“ ebensowenig da ist, wie die Bereitschaft weiterhin Orte für Braunkohle dem Erdboden gleich zu machen und allein der Ausbau der PhotovoltaikV nicht ausreichend ist, werden wir nur durch massiven Energie – Importe von Atom / Gas Energiebedarfe decken können. Oder gibt es eine andere Option?

Die KLIMALISTE Hessen e.V. fordert, neben einem nachhaltigen Konzept für einen Ausbau der Erneuerbaren Energien (wie z.B. Photovoltaik-Pflicht auf öffentlichen Gebäuden, PV-Zuschüsse für private Haushalte oder Mieterstrom, Windkraftanlagen auf weniger störungsempfindlichen Flächen), einen andere Umgang mit dem Energiebedarf. „Es müsste vielmehr Augenmerk darauf gelegt werden, wofür Energie heutzutage verbraucht wird und wie man diesen Verbrauch nachhaltig reduzieren kann“ führt Beate Balzert aus. Konzepte wie reduzierter Energiebedarf beim Eigenheim oder in der Industrie müssten mit stärkeren Anreizen versehen werden. „Denn eins ist sicher: egal ob Windrad oder Wald, solange wir unseren Energiebedarf nicht verändern, werden wir uns Diskussionen um jedes neue Windrad nicht leisten können, wenn die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels auch nur ansatzweise noch realistisch bleiben soll!“

Hintergrund Klimaliste Deutschland / Klimaliste Hessen

Die Klimaliste ist eine politische Graswurzelbewegung zur Durchsetzung konsequenter Klimaschutzmaßnahmen. Sie nahm ihren Anfang 2019 in Erlangen, wo sie aus dem Stand zwei Sitze im dortigen Stadtrat errang. Mittlerweile gibt es Klimalisten in allen 16 Bundesländern, sowie ein Bundespartei.

Erklärtes Ziel ist die Umsetzung der klimapolitischen Wende vor Ort zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Dazu treten überparteiliche Klimalisten bundesweit zu Landtags- und Kommunalwahlen an.

In den Klimalisten findet man einen Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, Studierenden, Eltern, Azubis, Angestellten, Unternehmer*innen und anderen im Klimaschutz engagierten Bürger*innen. Gemeinsam wird so die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zur höchsten Priorität mit dem klaren Ziel, ein zukunftsfähiges klimaneutrales Deutschland zu bauen.

Mehr Infos unter: https://www.klimaliste.de/grundkonsens und www.klimaliste-hessen.de

Pressekontakt:

Beate Balzert
E-Mail: kontakt@klimaliste-hessen.de

Maik Schöniger
E-Mail: marburg@klimaliste-hessen.de

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Quellen

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/sachverstaendigenrat-was-passieren-muss-damit-der-ausbau-der-windenergie-vorangeht-a-10387d84-b2f0-4c4b-92a6-1c5d6c5870e3

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/faktenfuchs-weniger-waldrodung-fuer-windraeder-als-behauptet,SsKyxci

https://taz.de/Initiative-kritisiert-falsche-Fakten/!5704334/

https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_02_stellungnahme_windenergie.pdf?__blob=publicationFile&v=9

https://www.hessenschau.de/politik/bis-zu-240-meter-hoch—18-windraeder-im-reinhardswald-genehmigt,windraeder-reinhardswald-100.html